#022 - Lizensierung Nachhaltigkeit - Administrativer Aufwand oder auch Potential für Mehrwertschöpfung?

 

Kaum ein Thema im deutschen Fußball bzw. Sport ist abseits vom Spielfeld im aktuellen öffentlichen Diskurs so vertreten wie Nachhaltigkeit und das entsprechende Lizensierungsverfahren. Neben 50+1 und der Investorenbeteiligung an den zentralen Media- und Vermarktungsrechten der DFL ist es ein Kernthema, das Verantwortliche der Clubs aber auch Fans und Sponsoren beschäftigt und vor Herausforderungen stellt.

 

Hält das Thema nur Aufwand und Herausforderungen für die Clubs in Deutschland bereit? Oder bietet es auch Möglichkeiten, deutliche Mehrwerte daraus zu ziehen?

 

 

 

  


Ausgangslage & Status Quo

Die Ausgangslage im Profi-Fußball ist eindeutig: wie in allen Branchen ist das Thema Nachhaltigkeit von größter Wichtigkeit, verdeutlicht durch die Berichte des Weltklimarates IPCC. Emissionen müssen drastisch reduziert werden, die aktuelle Energiekrise zeigt die Abhängigkeit von nicht-erneuerbaren Ressourcen und den generell hohen Energieverbrauch und der Klimawandel zeigt weiterhin seine Auswirkungen. Natürlich macht dies vor dem Fußball keinen Halt – Venues, Sporttourismus oder Ressourcenverbrauch sind akute Themen, welchen Vereine sich annehmen müssen.

 

 

Im deutschen Fußball ist das Thema seit längerem angekommen, einige Vereine versuchen sich seit Jahren nachhaltiger auszurichten, häufig aber mit dem starken Fokus auf die soziale Dimension. Zur Forcierung der ganzheitlichen Strategien über alle 3 Dimensionen ist seit 2022 beschlossen, dass die DFL mit externer Expertise und unter Einbindung der Clubs Lizensierungskriterien aufstellt zu drei großen Themenbereichen der Nachhaltigkeit im Sport – namentlich Clubführung und -organisation, Umwelt und Ressourcen und Anspruchsgruppen. Zum 15.3.2023 sind die ersten Kriterien Bestandteil des Lizensierungsverfahrens für die Clubs und mit der DEKRA ist im Februar 2023 ein unabhängiger Auditor benannt worden.

 

Die DFL ist die erste Profifußballliga, die Nachhaltigkeit in ihren Lizenzkriterien verankert hat. Das bedeutet allerdings noch nicht, dass deutsche Vereine im Vergleich zu den anderen Top-Ligen besser abschneiden. Im internationalen Vergleich des „Football Sustainability Perceptions Index 2023“ von „Brand Finance“ schaffte es nur ein deutscher Verein unter die Top 10 – der SC Freiburg. Union Berlin landete auf der 11 und der FC Bayern auf der 15. Hierbei wurden Umwelt, Soziales und Führung/Organisation als Metriken genutzt, also ähnlich wie die Lizenzkriterien der DFL. 


Das richtige Maß bezüglich des zusätzlichen Aufwands finden

Die Erfüllung der Lizensierungskriterien bedeutet für die meisten Clubs einen enormen Aufwand. Die Anpassung von Strukturen mit der Verankerung des Themas in der Clubführung und die Entwicklung diverser Strategien mit der konkreten Umsetzung in Prozessen sind neben dem operativen Geschäft zu erfüllen. Je nach Ausgangslage der Vereine erhöht sich der potentielle Aufwand enorm. Und im internationalen Vergleich müssen die deutschen Vereine aufholen, wie die Studie von Brand Finance gezeigt hat. 

 

Ein hoher Ressourcenaufwand ohne klares Ziel und Know-How führt potentiell zu Ressourcenverschwendung ohne zielführenden Ertrag für den Club und für die Umwelt. Herausfordernd wird es auch sein, die Maßnahmen zu dokumentieren und zu veröffentlichen, sowohl als Pflichtaufgabe als auch als transparente Informationsgrundlage für die Stakeholder, von Partnern bis hin zu den Fans. Ohne eine konkrete Eigeneffizienzbewertung und einer Ausarbeitung der relevanten Mehrwerte von nachhaltigen Maßnahmen          könnte das reine Lizensierungsverfahren nur Aufwand für die Vereine bedeuten.

 

 

Hier stellt sich somit die Frage, ob Vereine ihre bislang funktionierenden Geschäftsmodelle mit Nachhaltigkeitsthemen effektiv erweitern können ohne ressourcen-fressenden Aufwand zu betreiben und die Thematik zu sehr in den Vordergrund rücken zu lassen. Eine Integration der nachhaltigen Ausrichtung in das aktuelle, funktionierende Geschäftsmodell bedeutet nicht, dass die ganze Struktur und Identität des Vereins auf den Kopf gestellt werden müssen.

 

Ein bekanntes Extrembeispiel ist sicherlich der unterklassige englische Verein Forest Green Rovers. Dieser wurde nach Übernahme von Dale Vince komplett umstrukturiert und gilt mittlerweile als grünster Verein der Welt. Vereinsfarben, Logo und Strukturen wurden hierbei verändert, um sich den neuen Zielen anzupassen. Der Verein ist ein großartiges Projekt, jedoch generiert er vor allem durch das Thema Nachhaltigkeit Aufmerksamkeit – sportlicher Erfolg steht nicht im Vordergrund. Zwar ist das ausgeschriebene Ziel, sportlichen Erfolg und Nachhaltigkeit zu kombinieren, doch auf den Aufstieg in Englands dritte Liga droht jetzt der erneute Abstieg.


Chancen & Geschäftsmodelle

Die Integration von Nachhaltigkeit in das Geschäftsmodell und die Erfüllung der Lizensierungskriterien des DFL bringen nicht nur Risiken und Aufwand für die Vereine mit sich – eine nachhaltige Ausrichtung birgt auch Chancen. Stefan Wagner spricht im eBook „Stadionwelt“ zum Thema Nachhaltigkeit von einem augenscheinlichen Mehraufwand, welcher in Wertschöpfungsszenarien umgewandelt werden kann.

 

Ein klar durchdachtes Konzept mit umfänglichen und transparenten Strategien kann die Marke eines Vereins stärken und auf dem Markt dementsprechend positionieren. Studien zeigen, dass Nachhaltigkeit im Hinblick auf die Bindung von Fans und Sponsoren ein notwendiges Thema ist. Ebenso kann ein mangelndes Konzept das Gegenteil bewirken. Hier sind die Forest Green Rovers tatsächlich ein sehr gutes Beispiel, da der Verein zeigt, wie ihre nachhaltige Ausrichtung Aufmerksamkeit aus aller Welt generieren kann. Trotz der niedrigen Spielklasse ist die Marke des Vereins mittlerweile weltweit bekannt.

 

Durch die stärkere Profilierung als nachhaltige Marke entstehen neue Sponsoring-Möglichkeiten, da Unternehmen eine Plattform suchen, die sich beispielsweise mit ihren Werten gleicht oder ihnen die Möglichkeit gibt, ihre eigene Markentransformation zu präsentieren. Auch aktuelle Sponsoren können hier neue Möglichkeiten entdecken und die bereits bestehenden Partnerschaften können ausgeweitet werden. In Freiburg beim Sportclub steigt das Unternehmen JobRad, Partner für nachhaltige Mobilität, nun zum Hauptsponsor ab der Saison 23/24 auf. Der SC Freiburg hat sich über Jahre als besonders nachhaltige Marke auf dem deutschen Fußballmarkt etabliert und hat jetzt wieder einen neuen Hauptsponsor aus der Region, welcher weitere Maßnahmen vorantreibt und neue Potentiale für gegenseitige Vermarktung liefert.

 

 

Bildquelle: forevergreen.es
Bildquelle: forevergreen.es

Spannende Geschäftsmodelle finden sich immer häufiger im europäischen Fußball und auch in Deutschland. Aus Spanien sticht seit einigen Jahren Betis Sevilla hervor. Der letztjährige Europa League Gegner von Eintracht Frankfurt hat das Projekt „Forever Green“ ins Leben gerufen. Nach der erfolgreichen Partnerschaft mit „Green Earth“ und der Teilnahme am UN-Projekt „Climate Change Now“ folgte der nächste Schritt mit dem eigenen Initiativprojekt. Hierbei bietet Betis eine Plattform, um Maßnahmen und Aufwand von Organisationen und Firmen zusammenzutragen und zu kombinieren, um Aufmerksamkeit für die Thematik zu generieren und einen Gesellschaftswandel anzutreiben. Das Projekt bietet 5 Ansätze: Recycling, nachhaltige Mobilität, Klimawandel, Umwelt und die Natur. Die ersten beiden Punkte dienen zur Sensibilisierung und Förderung, während die anderen 3 Punkte dafür gedacht sind, externe Partnerschaften zu bilden, um Initiativen zur Nachhaltigkeit zu entwickeln. Auch andere Fußballvereine sind mittlerweile als Partner gelistet. In allen 5 Bereichen wurden Strategien intern, lokal, national und international umgesetzt.

 

 

Auch in Deutschland wurden konkrete Initiativen gestartet, um klare Ziele zu erreichen. Die TSG Hoffenheim plant mit Nachhaltigkeitspartner PreZero ihr Stadion zum ersten abfallfreien Bundesliga-Stadion Deutschlands zu machen. Der VfL Wolfsburg verpflichtet sich der „Race To Zero“-Initiative der UN und möchte bis 2025 CO2-neutral agieren. Mittlerweile befindet sich in der Volkswagen Arena auch ein Countdown bis zur angepeilten Deadline.


Schlusswort

Die Beispiele zeigen ein systematisches Umdenken, statt einen schnellen Wandel voranzutreiben. Das Thema drängt, doch ein Change von einem auf den anderen Tag ist nicht möglich. Ebenso lebt der Fußball von nicht vermeidbaren Faktoren wie Sporttourismus.

 

 

Die Lizensierungskriterien der DFL bedeuten viel Aufwand und Planung für die Clubs und sind aus unserer Sicht die „Pflichtaufgabe“ zur Sicherung der glaubwürdigen Marktposition des deutschen Profifußballs im Hinblick auf gesellschaftliche Verantwortung. Zugleich kann dieser Aufwand mit strategischem Weitblick noch in zusätzliche Chancen umgewandelt werden und wie gezeigt zu spannenden Erfolgsmodellen führen. Partnerschaftsmodelle  wie in Hoffenheim oder Freiburg zeigen Ansätze, wie solch ein Modell gestaltet werden kann und gleichzeitig dem Verein und dem Sponsor sowie der Umwelt Mehrwert bietet. 

 

 

Kapazitäten und Expertise zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle auf Basis nachhaltiger Strategien sind nicht immer gegeben, hier kann eine externe Beratung helfen. HORSTMANN Consulting begleitet Sie & ihren Club gerne bei der Entwicklung nachhaltiger und erfolgreicher Geschäftsmodelle und stellt Erfahrung aus dem Fußball-Business zur Verfügung. Sprechen sie uns an!

 

 

 

28.02.2023

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