#019 - Zuschauerauslastung im deutschen Profi-Fußball - ein Update
Die DFL-Clubs dürfen seit dem vergangenen Wochenende ihre Stadien nach über 2 Jahren endlich wieder voll auslasten, vielerorts sogar ohne jedwede Zulassungsbeschränkungen.
Einem Stadionerlebnis wie vor der Pandemie steht somit eigentlich „nur“ noch ein dem Pandemiegeschehen der vergangenen zwei Jahre geschuldetes, gestiegenes Risikobewusstsein der Menschen in Bezug auf den Besuch von Großveranstaltungen entgegen.
Dies nehmen wir zum Anlass die Auslastungsquoten der Bundesliga (BL) und 2. Bundesliga (2. BL) des vergangenen Spieltags einmal genauer unter die Lupe zu nehmen, um hinsichtlich Auslastung und Zuschauerzahlen einen Vergleich zur Vor-Corona-Zeit herzustellen und um daraus Erkenntnisse bezüglich einer (möglicherweise) veränderten Ticket-Nachfrage zu ziehen.
Ein Blick zurück
Im Oktober 2021 hat HORSTMANN Consulting in einem umfassenden Report bereits die Zuschauerrückkehr im deutschen Profi-Fußball untersucht.
Analysiert wurde unter anderem, welche Auswirkungen die Corona-Krise auf die Ticket-Nachfrage der deutschen Fußball-Fans hat, in welchen Massen die Fans wieder in die Stadien strömen, wie sich die Auslastungen der Stadien (bei reduzierten und steigenden Kapazitäten) entwickeln und wo diese im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit stehen.
Das damalige Ergebnis in Kürze zusammengefasst: In der Hinrunde der Saison 21/22 hatte insbesondere die Bundesliga bei steigenden Kapazitäten mit Auslastungsproblemen zu kämpfen. Die durchschnittliche Auslastung lag an einzelnen Spieltagen nur bei 80%, im Vergleich dazu hatte die Bundesliga vor der Pandemie (Saison 17/18 + 18/19) im Schnitt eine Auslastung von 88% - 90%.
Und auch weil nicht nur die absoluten Zuschauerzahlen logischerweise teils deutlich unter den Vorjahreswerten lagen, sondern auch einstige Zuschauermagneten ihre Stadien selbst bei reduzierten Kapazitäten entweder nicht zu 100% füllen konnten oder regelmäßig große Ticketmengen in den freien Verkauf geben mussten, war es durchaus eine schlüssige Annahme, dass die Fußball-Fans nicht ohne weiteres für den Stadionbesuch zurückgewonnen werden können und der deutsche Profi-Fußball möglicherweise vor einer Herausforderung bezüglich der Zuschauerzahlen stehen könnte.
Die Zahlen der 2. Bundesliga waren hingegen weniger alarmierend. Mit den namhaften Absteigern aus der Bundesliga und zahlreichen Zuschauermagneten konnte die „attraktivste 2. Liga aller Zeiten“ zu Saisonbeginn sogar einen höheren Auslastungsschnitt (82%) erzielen als vor Pandemie-Beginn (18/19: 78% bzw. 17/18: 67%). Und auch bei steigenden Kapazitäten an Spieltagen 9 - 11 blieb die Auslastung auf einem konstant hohen Niveau.
Zur weiteren Einordnung muss auch bedacht werden, das zum damaligen Untersuchungszeitpunkt große Teile der aktiven Fanszenen aufgrund der geltenden Hygienekonzepte und Zulassungsbeschränkungen den Stadien fernblieben und die Fans zum Teil aufgrund der pandemischen Lage aus Vorsicht lieber auf einen Stadionbesuch verzichtet haben.
Analyse der weiteren Entwicklung (im Saisonverlauf 21/22) & der aktuellen Auslastung in der BL
Die Frage, ob oder wie stark der deutsche Profi-Fußball bzw. die Bundesliga tatsächlich von einem Zuschauerproblem betroffen ist, kann möglicherweise eine Analyse der weiteren Auslastungsentwicklung im Saisonverlauf 21/22 und ein Blick auf die ersten Zahlen bei erlaubter Maximalkapazität der Stadien beantworten.
Wie bereits beschrieben, hatte die Bundesliga in der Hinrunde bei steigenden Kapazitäten mit Auslastungsproblemen zu kämpfen. Lag die Auslastung an den ersten 6 Spieltagen bei geringerer Kapazität noch bei 93%, konnte dieses Auslastungsniveau an den Spieltagen 7 – 13 nicht mehr gehalten werden. Bei einer durchschnittlich zugelassenen Stadionkapazität von 33.047 Zuschauern, konnte lediglich ein Auslastungsschnitt von 82% (= 27.189 Zuschauer im Schnitt) erzielt werden.
Anschließend waren die Spieltage 14 - 24 erneut von massiven Kapazitätsbegrenzungen bis hin zum kompletten Ausschluss von Zuschauern betroffen, weshalb diese Spieltage“ für eine Analyse nicht relevant sind.
Eine erste Aussagekraft haben daher die erst wieder die Spieltage 25 – 26, bei denen ab Anfang März wieder größere Zuschauerzahlen – im Schnitt 24.706 Zuschauer – zugelassen waren und die Bundesliga-Clubs eine starke Auslastungsquote von 96% (= 23.747 Zuschauer) erzielen konnten.
Bereits am 27. Spieltag konnten die erlaubten Kapazitäten deutlich gesteigert werden und bei fünf von neun Spielen war eine maximale Stadionöffnung erlaubt. Im Schnitt kamen an diesem Spieltag 31.698 Zuschauer pro Spiel in die Stadien. Bei einer durchschnittlich erlaubten Kapazität von 34.443 Zuschauern bedeutet dies eine Auslastung von 92%. Und wäre das Stadion des VfL Wolfsburg beim Spiel gegen Bayer 04 Leverkusen nicht nur mit 55% der zugelassenen Plätze ausgelastet gewesen, hätte der Liga-Schnitt noch höher liegen können.
Am 28. Spieltag konnten dann erstmals alle neun BL-Spiele in komplett geöffneten Stadien absolviert werden. Im Schnitt lag die Auslastung am 28. Spieltag bei einer durchschnittlichen Stadionkapazität von 40.217 Zuschauern bei 35.600 Zuschauern bzw. 89%. Immerhin fünf von neun Spielen konnten mit einer Auslastung von mind. 95% aufwarten, während die TSG Hoffenheim (gegen den VfL Bochum) mit 50%, der FC Augsburg (gegen den VfL Wolfsburg) mit 75% und Bayer 04 Leverkusen (gegen Hertha BSC) mit 78% Auslastung deutlich unter diesem Wert lagen.
Insgesamt lässt sich also festhalten, dass nach dem ersten Spieltag unter Maximalauslastung keine geringe Ticket-Nachfrage in der Bundesliga festzustellen ist, vielmehr lag die Auslastung des 28. Spieltags 21/22 ziemlich exakt auf dem gleichen Niveau wie die BL-Auslastung von 18/19 und somit von „vor Corona“.
Die Rückkehr der aktiven Fanszene, die größtenteils wegfallenden Zulassungsbeschränkungen sowie die möglicherweise geringer werdenden Bedenken in der Bevölkerung hinsichtlich des Besuchs einer Großveranstaltung haben sicherlich Anteil an dieser für die Bundesliga so wichtigen & positiven Entwicklung.
Allerdings hat die Zuschauerzahl eines einzelnen Spieltags sicherlich keine allgemeingültige Aussagekraft und somit sollten nicht nur die oben genannten sondern alle Clubs die weitere Entwicklung ihrer Zuschauerzahlen und Auslastungen ganz genau im Auge behalten und den Ticketabsatz mittels geeigneter Sales-Maßnahmen und einer aktiven Vertriebskommunikation anschieben.
Denn absolut gesehen kamen am vergangenen Spieltag im Schnitt weniger Zuschauer in die Stadien als vor der Pandemie (35.600 vs. 42.738 Zuschauer in 18/19). Ein Fakt der sich aber unter Umständen auch mit der aktuellen Liga-Zusammensetzung (Abstieg Schalke, Bremen etc.) erklären lässt.
Analyse der weiteren Entwicklung (im Saisonverlauf 21/22) & der aktuellen Auslastung in der 2. BL
In der 2. BL schienen die Clubs trotz der schwierigen Umstände sowohl bei geringen als auch bei steigenden Kapazitäten auf Rekordkurs zu sein. Die durchschnittliche Auslastung von 82% zu Saisonbeginn (1. – 8. Spieltag) blieb auch bei steigenden Kapazitäten an den Spieltagen 9 – 11 stabil.
Jedoch konnten die 2. BL-Clubs diese starken Zahlen nicht halten. An den Spieltagen 12 – 15 stieg die durchschnittliche Kapazität noch einmal an, die Clubs konnten an diesen Spieltagen jedoch nur eine Auslastungsquote von 67% (= Zuschauerschnitt von 16.933 bei einer Durchschnittskapazität von 25.095) erzielen.
Im Mittel konnte in der 2. BL an den Spieltagen 9 - 15 somit (lediglich) eine Auslastungsquote 74% erzielt werden.
Anschließend waren auch hier die Spieltage 16 - 24 erneut von massiven Kapazitätsbegrenzungen bis hin zu kompletten Geisterspielen betroffen.
Ab Anfang März waren an den Spieltage 25 - 26 erstmals wieder größere Zuschauerzahlen – im Schnitt 24.295 Zuschauer – zugelassen und die Clubs konnten die Auslastungsquote von 74% (= 18.011 Zuschauer) bestätigen. Die absolute Kapazität und Auslastung lag dabei ziemlich exakt auf dem 2. BL-Niveau der Saison 18/19, weshalb auch hier zunächst nichts auf ein Zuschauerproblem hindeutete.
Wie auch in der BL konnten auch in der 2. BL die Kapazitäten ab dem 27. Spieltag nochmal deutlich erhöht werden. Bei fünf von neun 2. BL-Clubs war an diesem Spieltag bereits die maximale Stadionkapazität gestattet, die durchschnittliche Kapazität stieg auf 30.647. Am 28. Spieltag lag die Kapazität bei erstmalig komplett geöffneten Stadien mit 30.658 Plätzen auf dem gleichen Niveau.
Die Auslastung konnte diesem Anstieg jedoch nur am 27. Spieltag folgen, als die Stadien im Schnitt zu 77% gefüllt waren, was absolut gesehen sogar eine Steigerung der Zuschauerzahlen im Vergleich zu 18/19 bedeutete (23.497 Zuschauer vs. 18.980 in 18/19). Am 28. Spieltag sank die Auslastung im Vergleich dazu hingegen um mehr als 10% auf nur noch 63%. In absoluten Zahlen (19.282 Zuschauer) entspricht das aber immerhin noch ziemlich exakt dem Zuschauerschnitt der Vor-Corona-Zeit.
Von der Attraktivität der „stärksten 2. Liga aller Zeiten“ kann hinsichtlich des aktuellen Zuschauerzuspruchs also nur noch bedingt die Rede sein. Die kommenden Spieltage sollten Aufschluss darüber geben, ob die 2. BL trotz vieler namhafter Clubs, großen Stadien und mitgliederstarken Traditionsvereinen nicht doch vor einem Zuschauerproblem steht bzw. ob ihrer Attraktivität zumindest in Sachen Ticket-Sales deutlich Luft nach oben hat.
Denn auffällig ist, dass an den beiden letzten Spieltagen (27./28.) von 18 Partien lediglich die Hälfte eine Auslastung von 80% oder mehr aufweisen konnte.
Wie auch in der BL gilt es also für die 2. BL-Clubs die weitere Entwicklung ihrer Zuschauerzahlen und Auslastungen ganz genau im Auge zu behalten und den Ticketabsatz mittels geeigneter Sales-Maßnahmen und einer aktiven Vertriebskommunikation anzuschieben.
Fazit & Ausblick
Insgesamt dürfen wir gespannt sein, wie den DFL-Clubs dies gelingt. Kann die Bundesliga die Auslastungsquote halten bzw. auch die absoluten Zuschauerzahlen an das Niveau von 18/19 heranführen? War der 28. Spieltag in der 2. BL ein Ausrutscher nach unten? Wie entwickeln sich die Zuschauerzahlen und Auslastungsquoten im Saisonendspurt 21/22? Und welche Ableitungen treffen die Clubs daraus für ihr Ticket-Angebot in der kommenden Saison 22/23 und ihren zukünftigen Ticket-Vertrieb?
Die Beantwortung all dieser Fragen werden wegweisend für den deutschen Profi-Fußball sein.
Denn möglicherweise müssen wir in einigen Monaten doch konstatieren, dass die Pandemie zwar nicht in der Gesamtheit des deutschen Profi-Fußballs, sehr wohl aber bei einzelnen Clubs Spuren und an einigen Standorten ein strukturelles Zuschauer-Defizit hinterlassen hat.
08.04.2022