#012 - Das Comeback der Zuschauer

 

Am vergangenen Wochenende griffen nun endlich auch die ersten drei Profiligen in das Pflichtspielgeschehen ein. In der 1. Runde des DFB-Pokals war die Frage nach der zugelassenen Zuschauerzahl eine Antwort fast so wichtig wie das Spielergebnis. Glücklich die Clubs wie der FC Hansa Rostock, der vor 7.500 Zuschauern antreten durfte oder Dynamo Dresden, wo sogar über 10.000 Zuschauer im Stadion die gerade abgestiegene Mannschaft gegen den HSV anfeuern durften.

Neidisch dürfte der 1.FC Nürnberg nach Nordosten geblickt haben – trotz eines deutlich größeren Stadions waren dort nämlich gar keine Zuschauer zugelassen – oder der FC Schalke 04, dessen Stadion ungefähr doppelt so groß ist, wie die Arenen in Rostock oder Dresden und bei dessen – auf kuriose Weise abgesagte - Partie gegen Schweinfurt gerade 300 Gäste von den Behörden erlaubt worden wären.

 

Zwar gilt der Grundsatz, dass sich die lokalen Behörden auch nach dem lokalen bzw. regionalen Infektionsgeschehen richten; solche Differenzierungen ließen sich aber für den Betrachter kaum nachvollziehen und den Fans ihres jeweiligen Herzensvereinen kaum erklären. So erklärt sich auch, wie groß nun der Druck auf die Behörden und die Politik in Sachen Wiederzulassung von Zuschauern wurde, zumal die Clubs in den vergangenen Wochen ihre Ressourcen stark für die Ausarbeitung der Hygienekonzepte beansprucht haben.

 

Ursprünglich sollte nun, so vereinbarte es die Ministerpräsidentenkonferenz der Bundesländer noch Ende August, ein Strategiepapier entwickelt werden, das bundesweit ein einheitliches Vorgehen für die Clubs zulässt/empfiehlt. Vieles sprach zwischenzeitlich dafür, dass einem solchen Papier eine Quotenregelung zugrunde liegen könnte, die einen pauschalen Prozentsatz der Stadionkapazität als Auslastungsgrenze vorsieht. Und so kam es nun auch. Mit einem am Dienstag veröffentlichten Statement der Bundesländer, in dem eine solche Quotenregelung – ganz Politik – Als zulässige Höchstkapazität während des Probebetriebs (…) 20 Prozent der jeweiligen Stadien- oder Hallenkapazität empfohlen“ sind. Eine Empfehlung also – und es scheint absehbar, dass einige Bundesländer in ihren Genehmigungen die empfohlene Grenze überschreiten werden,  denn nach dem vergangenen Wochenende würde diese für einige Clubs einen Rückschritt im Vergleich zu den mit den lokalen Gesundheitsämtern beschlossenen Regelungen darstellen und die unterschiedlichen infrastrukturellen Voraussetzungen außer Acht lassen.

 

Trotzdem war es richtig, mit den gemachten Erfahrungen vom vergangenen Wochenende nicht an der ursprünglich vereinbarten Frist bis zum 30.10. festzuhalten; die Realität hätte das Geschehen nach dann mindestens fünf bzw. sechs absolvierten Spieltagen in Bundesliga & 2. Bundesliga längst überholt.

 

Vergessen wir nicht, dass „formal“ noch immer gilt, dass Großveranstaltungen auch weiterhin bis mindestens zum Ende des Kalenderjahres verboten sind. Angesichts der Existenz bedrohenden Situation vieler Clubs, ist es aus unserer Sicht jedoch legitim, dass jeder Club das Maximum an Zuschauerzahlen anzustreben versucht und die lokalen Behörden die Clubs – letztlich auch in ihrer Eigenschaft als wichtige gesellschaftliche und wirtschaftliche Akteure der Region – weitestgehend unterstützen. Dies betrifft im Übrigen nicht nur den Fußball – im Gegenteil; die Clubs der Hallensportarten, deren wirtschaftliche Grundlage nicht durch die Erlöse der medialen Vermarktung abgesichert ist, verstärkten ihre diesbezüglichen Bemühungen ebenso intensiv.

 

In diesem Zusammenhang sei auch angesprochen, dass alle Anspruchsgruppen eines Vereins – insbesondere Mitglieder und Mitarbeiter – auch Anspruch darauf haben, dass Vorstände, Geschäftsführer & Aufsichtsgremien alles versuchen, weiteren Schaden – in diesem Falle unabsehbare finanzielle Folgen - vom Club abzuwenden.

 

Zudem scheint auch die Sorge einer möglichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs durch völlig unterschiedliche Verfahrensweisen der lokalen Behörden ausgeräumt. Nachdem RB Leipzig als erster „großer Club“ die Genehmigung für ein individuelles Hygienekonzept erhielt, wagten sich mehr und mehr Kommunen – letztlich im Widerspruch zur Vereinbarung der Ministerpräsidentenkonferenz – aus der Deckung. Die damit drohende bzw. am vergangenen Wochenende sichtbar gewordene Ungleichbehandlung – zum Nachteil z.B. der Clubs aus Baden-Württemberg oder Nordrhein Westfalen – bietet nun keine Angriffsfläche mehr. Auch deswegen ist das nun beschlossene Vorgehen zu begrüßen; unabhängig davon, ob im Einzelfall etwas mehr als die empfohlenen 20% Auslastung genehmigt werden.

 

Die genannten Beispiele in Rostock, Dresden aber auch das anstehende Wochenende mit dem Start der Bundesliga werden in der Analyse zeigen, ob Personalisierung von Tickets, Messung von Temperaturen am Einlass, die Versicherung, in den Tagen vor dem Stadionbesuch keinen Kontakt zu Corona-infizierten Personen gehabt zu haben und das Tragen von Masken ausreichen bzw. ausgereicht haben, das Infektionsgeschehen unter Kontrolle zu behalten. Die Clubs und die Stadionbesucher sind nun aufgerufen, der Verantwortung gerecht zu werden wollen sie nicht Ausgangspunkt neuer Infektionsketten und damit Anlass für neuerliche gesellschaftliche Einschränkungen sein – nicht alle Fernsehbilder der 1. Runde des DFB-Pokals wussten diesbezüglich zu überzeugen.  

 

Wenn sich aber erweist, dass die getroffenen Maßnahmen greifen und die Hygienekonzepte halten, was sie versprechen, so ist aus unserer Sicht ein individuelles, dem Infektionsgeschehen angepasstes Vorgehen zu begrüßen. Es kann darüber hinaus Anlass sein, sich Stück für Stück wieder dem Regelbetrieb anzunähern. Die Erfahrungen aus dem Fußball können dabei auch Vorbild für andere Sportarten oder Kulturveranstaltungen sein. Der Profifußball wäre dann Zugpferd für einen maßvollen Weg zurück in die gesellschaftliche Normalität – und könnte viele seiner Kritiker „zurückgewinnen“. 

 

 

18.09.2020

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