#011 - Internationale Wettbewerbsfähigkeit trotz 50+1? - Investoren als Stabilisator in Krisensituationen?
Der deutsche Fußball präsentiert sich international so stark wie zuletzt 2013. Mit dem FC Bayern München und RB Leipzig standen zwei deutsche Clubs im diesjährigen Halbfinale der UEFA Champions League. Und obwohl „nur“ die Münchener ins Finale einziehen konnten während für die Leipziger das Abenteuer Champions League gegen den französischen Dauermeister Paris St. Germain endete, scheint der deutsche Fußball seine Position im internationalen Wettbewerb verbessert zu haben. Für unseren heutigen Beitrag möchten wir uns zu Beginn daher an einen Zeitpunkt zurückerinnern, der im letzten Jahr den Ausgangspunkt für eine kontroverse und anhaltende Diskussion um den Stand und die Zukunft des deutschen Profifußballs dargestellt hat.
Genauer gesagt erinnern wir uns zurück an den 01.06.2019 bzw. an die folgenden Wochen danach. Was war passiert?
Am späten Abend des 01. Juni 2019 reckte mit dem FC Liverpool um den deutschen Star-Trainer Jürgen Klopp, nach einem rein englischen Duell mit den Tottenham Hotspurs, ein englischer Traditionsclub den Champions League Pokal in den Nachthimmel von Madrid. Einige Tage vorher hatte der FC Chelsea (in einem ebenfalls rein englischen Duell mit dem FC Arsenal) bereits die Europa League gewonnen.
Der deutsche Fußball – so waren sich zahlreiche Experten einig – schien insbesondere vom englischen Fußball abgehangen und international nicht mehr konkurrenzfähig zu sein. Vorbei also die Chance auf internationale Titel für die deutschen Spitzenclubs. Ursache dafür? Hinter den erfolgreichen europäischen Konkurrenten aus England, Frankreich, Spanien und Italien stehen finanzkräftige Investoren(-gruppen) oder ganze Staaten, welche diesen Clubs scheinbar unbegrenzte finanzielle Mittel auf der Jagd nach sportlichem Erfolg und einem daraus resultierendem wirtschaftlichen Profit bereitstellten. Währenddessen, so die Kritiker, klammere sich der deutsche Profifußball als letzter große Fußballmarkt an der Aufrechterhaltung der Selbstbestimmung und finanziellen Unabhängigkeit seiner Clubs. Die Kritik von Seiten der Experten und auch einiger führender Vereinsvertreter an der „wenig Zeitgemäßen“ 50+1-Regelung nahm stetig zu, während sich auf Fanseite gleichzeitig verstärkter Protest gegen das Bestreben der Abschaffung dieses Grundsatzes regte. Letztere wiederum malten das Bild des bösen Finanzinvestors, dessen einziges Interesse im wirtschaftlichen Profit liege und der auf dem Weg dorthin vor keinerlei „Schandtat“ zu Ungunsten des Clubs und seiner Fans zurückschrecken würde.
Diese Diskussion zog sich durch die gesamte Hinrunde 19/20 bis zu dem Zeitpunkt im Frühjahr dieses Jahres, als die Corona-Krise die gesamte (Fußball-) Welt auf den Kopf stellte. Dazu gehört aus unserer Sicht auch ein nun differenzierterer Umgang mit dem Thema der Investoren im deutschen Club-Fußball.
Denn nachdem zunächst die Bundesliga und 2. Liga unter großer medialer Aufmerksamkeit die ausgesetzte Spielzeit weiterführen konnten, stellt sich mit dem erfolgreichen Abschneiden der deutschen Clubs, welchem durch einen möglichen Final-Erfolg des FC Bayern noch die sprichwörtliche Krone aufgesetzt werden könnte, die Frage nach dem Standing des deutschen Profifußballs in Europa ganz anders. Die Bundesliga als internationaler Vorreiter in Sachen Corona. Die deutschen Clubs in der europäischen Spitze vertreten. Ist der deutsche Profifußball wiedererstarkt? Ist sportlicher Erfolg auch ohne Investor möglich?
Zugegebenermaßen ist diese Frage etwas ketzerisch, steht hinter dem Konstrukt „Rasenball Leipzig“ doch ebenfalls ein österreichischer Investor und der FC Bayern München hat sich sein außergewöhnliches sportliches wie finanzielles Standing über Jahrzehnte solide erarbeitet. Und dennoch scheint es so als wäre die obige Frage berechtigt. Denn insbesondere bei RB Leipzig, aber mit Abstrichen auch beim FC Bayern werden im Vergleich zu Clubs wie Manchester City, Paris, Barcelona oder auch Juventus Turin jährlich deutlich geringere Summen in Spielertransfers und -gehälter investiert.
Es scheint also so, als sei der deutsche Fußball trotz der Aufrechterhaltung von 50+1 und dem Fehlen großer Investoren international konkurrenzfähig. Folglich die Investoren-Thematik im deutschen Fußball mit dieser Begründung abzuschmettern, erscheint uns unter dem frischen Eindruck und den Lehren aus der Corona-Zeit allerdings auch nicht richtig.
Denn zu groß ist die Zahl der deutschen Clubs, die – unabhängig ob in Bundesliga, 2. oder 3. Liga – durch die Corona-Krise an ernsthaften Existenzschwierigkeiten leiden, zu gering ist die Liquidität der Clubs, zu gering sind Eigenkapital und Rücklagen, mit denen auf Krisensituationen reagiert werden kann.
Hier erachten wir es als zwingend notwendig, eine fundierte und auf Fakten beruhende Diskussion rund um das Thema Investoren im Fußball anzustoßen, welche alle Stakeholder des Systems Profifußball berücksichtigt. Um möglicher Kritik vorzubeugen, möchten wir von vornherein klarstellen, dass wir hier in keiner Weise eine Abschaffung der 50+1-Regelung fordern wollen. Stattdessen möchten wir Ansätze und Argumente in den Raum stellen, wie mögliche Investoren unter dem Dach von 50+1 einbezogen werden können, gleichzeitig aber auch die Kritik von Fanseite an der zunehmenden Kommerzialisierung und Entfremdung des Profifußballs von seinen Fans berücksichtigt wird.
Denn ein Investor kann für einen Club und seine Fans durchaus auch Positives bewirken:
der Club auch in Krisenzeiten weniger in seiner Existenz bedroht ist;
die clubgeborenen Arbeitsplätze (Mitarbeiter der Geschäftsstelle, Nachwuchsbereich, Stadionbetrieb, …) und weitere Arbeitsplätze in der Region (angeschlossene Dienstleister) weniger gefährdet sind;
der Club seine Fans und Partner/Sponsoren nicht um den Verzicht auf Regressansprüche aus nicht erbrachten Leistungen bitten muss, sondern diese aus den Rücklagen des Clubs getragen werden können;
Clubs zukünftig nicht auf Staats- oder Landeskredite angewiesen wären.
Mit einem glaubhaften Einsatz und der Förderung für/von Fan- & CSR-Projekten in der Region durch den Investor, könnte der Club seiner sozialen Verantwortung verstärkter nachkommen.
Der Sport und insbesondere der Fußball ist durch das sportliche Regelwerk in seiner Durchführung von Spielen und den geltenden Spielregeln des Wettkampfes durchdekliniert. In der Thematik „Investoren im Fußball“ sind DFL und DFB aus unserer Sicht ebenfalls gefordert, ein vollumfassendes „Regelwerk“ zu liefern, das für alle Seiten (Club, Fans, Investor) Mehrwerte liefert und die Akzeptanz aller fördert.
U.a. aus den oben genannten Punkten ergeben sich folgende Richtlinien, welche wir für ein solches Regelwerk exemplarisch für sinnvoll erachten (Auszug):
Festhalten am Grundsatz der 50+1-Regel.
Der Ausschluss von Investoren mit dubiosem Hintergrund oder aus/von Staaten, welche dem Verdacht unterstehen, gegen Menschenrechte zu verstoßen (Prüfung durch DFL/DFB).
Der Abschluss und die Finanzierung einer Notfall-Versicherung im Namen des Clubs, welche in bestimmten (Krisen-) Situationen wirksam wird (Beispiel Wimbledon o. Borussia Dortmund bei Verpassen des internationalen Wettbewerbs).
Vorgeschriebene Quotenregelung (gemessen am finanziellen Gesamtinvest) zur Bemessung eines jährlichen Beitrages für Fanprojekte und CSR-Maßnahmen in der Region, welche der Investor zusätzlich zu entrichten hat.
Verpflichtung zur Beibehaltung von Stehplätzen in den Stadien und eine Begrenzung der jährlich zulässigen Erhöhung der Ticketpreise (Auf- und Abstiege ausgenommen).
Eingebettet in bzw. ergänzt um notwendige Reformen beispielsweise im DFL-Lizenzierungsverfahren (Stichwort Einführung einer Eigenkapital- oder Rücklagenquote) und weiteren Ansatzpunkten, welche bereits im Zuge der Diskussion um die Zukunft des Profifußballs erörtert und mehr oder weniger vertieft worden sind, könnte unserer Meinung nach auf Grundlage dieses Regelwerks eine nachhaltige Diskussion und Entwicklung zum Thema Investoren im Profifußball entstehen, an deren Ende eine für alle Parteien akzeptable Lösung steht.
20.08.2020